Kapitel 34 - Abschied vom alten Haus

Es gibt Millionen Menschen auf der Welt, die keine einzige Wildkatze wirklich gekannt haben. Was sage ich? - Millionen? - Milliarden sind es. Sie alle leben ganz ruhig dahin, haben ihre Sorgen und Freuden. Vielleicht weiß ich's nur nicht, aber ich denke, daß höchstens ein winziger Teil von ihnen mit dem Gefühl im Herzen lebt, daß ihnen dadurch etwas ungeheuer Wichtiges fehlt. Aber was weiß ein Blindgeborener von Farben, was ein Taubgeborener von Musik? Ich wußte, was mir fehlte, ich hatte es gehabt und ich fühlte es noch immer, jeden Tag, jede Stunde.

Gegen Kummer gibt es eine Medizin und die heißt: Arbeit. Nun, Arbeit gab es jede Menge, Arbeit mit den Tieren, dem Garten, mit der Korrespondenz. Aber ich stürzte mich auch in allerhand neue Aktivitäten.
Gleich nachdem ich in den neuen Katzenzüchterverein eingetreten war, hatte man mir angeboten, dort Katzenrichter zu werden. Auf jeder Katzenausstellung gibt es eine Jury, deren Mitgliedern, den "Richtern", die Beurteilung der Katzen obliegt. Sie bestimmen, welche Katze den ersten Preis bekommt, welche zum "Champion" geeignet ist usw. Katzenrichter zu werden ist nicht übertrieben schwierig. Man muss sich mit den "Standards" vertraut machen, die bei jeder Katzenrasse verschieden sind, wobei man bitte das Wort Rasse nicht gar zu wörtlich nehmen möge, denn die "Rasse" in diesem Zusammenhang ist keine biologische Definition, sondern das Ergebnis der Überlegungen der Offiziellen im Katzensport. Sie bestimmen: wenn eine Katze diese und jene sichtbaren, erblichen Merkmale hat, die sie von anderen unterscheidet, dann geben wir ihr eine "Rassennummer" und einen eigenen Standard. Das Ergebnis ist nicht immer das biologischer Kenntnis oder gar Logik, sondern eher eins des Einflusses derer, die an der Spitze sitzen. So haben z.B. eine schwarze und eine rote oder eine weiße Perserkatze verschiedene Rassennummern, aber schwarze, braune oder weiße Orientale tragen die gleiche Rassennummer, nur mit einem a oder b oder c dahinter. Für den Laien ist das ein ziemliches Durcheinander, aber wenn man sich einmal daran gewöhnt, lässt sich damit arbeiten, d.h. "richten".

Ein Biologe sagte mir einmal: "Ihre so genannten Rassen sind alle nur Abwandlungen ein und derselben Rasse; der Felis catus oder, nach Leyhausen, "Felis silvestris libyca forma catus". Professor Leyhausen will damit auf die (von mir bereits in einem früheren Kapitel erwähnte) Abstammung der Hauskatzen von der afrikanischen Falbkatze hinweisen. Der nicht mehr akademische Name "Felis domestica" wird übrigens noch immer hier und dort gebraucht. Man sieht, auch was die Hauskatze betrifft, gibt es verschiedene Auffassungen und Benennungen.

Die Rassekatzenwelt benutzt aber weiter den Begriff "Rasse" für die vielen züchterischen Variationen der Hauskatze, die gegenwärtig gezüchtet werden. Viele dieser Rassen sind aus spontanen Mutationen, vor allem in Haarfarbe und Haarlänge, entstanden. Andere haben ihren Ursprung in erblichen Defekten, die man "schön" findet: Katzen ohne Haare, ohne Schwanz, mit kurzen Dackelpfoten, mit denen die Tiere sich kaum fortbewegen können, oder mit - bei Persern - so kurzer Nasenpartie und dicken Köpfen, daß die Tiere keine Tränendrüsen mehr haben und mit verklebten Augen herumlaufen, und mit so kurzer Schnauze, daß die Jungen nicht mehr bei der Mutter saugen können und künstlich großgezogen werden müssen. In den letzten Jahren haben sich auf dem Gebiet Exzesse entwickelt, die - nach meiner Meinung zurecht - vom Tierschutz und in letzter Zeit auch vom Gesetzgeber als Qualzucht bezeichnet und abgewiesen werden. Wie ich die Welt der Katzenzüchter kenne, wird es aber für die Vorkämpfer erbgesunder Katzenrassen noch ein langer Weg sein, bis man auch diejenigen zur Einsicht bringen wird, die gerade das Unnatürliche schön finden.

Wie viele Rassen es gibt, entzieht sich meiner Beurteilung. Zu der Zeit als ich noch Katzenrichter war, werden es etwa vierzig gewesen sein, aber das ist jetzt mehr als ein Jahrzehnt her und die züchterische Fantasie hat nicht still gestanden.

Die "Standards" der Rassen muss man als Katzenrichter kennen und die Katzen ohne Vorurteil danach bewerten. Außerdem muss man die Grundsätze der Vererbungslehre kennen und - wenigstens hier in Holland - mindestens eine der gangbaren Fremdsprachen (Deutsch, Englisch oder Französisch) so gut beherrschen, daß man darin einen Richterbericht anfertigen und eventuell auch mündlich verteidigen kann.

Wie gesagt, die Ansprüche sind nicht erheblich, aber ohne diese zu erfüllen, bekommt man kein Richterdiplom. Die eigentliche Routine kommt, wie bei so vielem, mit der praktischen Ausführung des Erlernten. Darum gehört auch eine Art Praktikum dazu, das man auf verschiedenen Ausstellungen im In- und Ausland absolvieren muss. Das wiederum erfordert eine gewisse Beweglichkeit und Reisefreudigkeit.

Als ich die vorgeschriebene Ausbildung hinter mir hatte, legte ich mein Examen als Richter ab. Es gab damals noch nicht genug Richter für Kurzhaarkatzen und deshalb war an Einladungen, auf Ausstellungen im In- und Ausland zu richten, kein Mangel.

Der Wechsel vom Aussteller zum Richter ist eine spaßige Erfahrung. Ich hatte bestimmte Gesichter in Erinnerung, die einigermaßen missmutig blickten, wenn ich mit meinen Abessiniern und später auch mit einigen meiner Siamesen und Orientalen auf der Bildfläche erschien. Ich war Konkurrenz. Nun auf einmal lächelten dieselben Gesichter mich außerordentlich freundlich an: "Guten Tag, Frau Falkena, wie geht's? Welche Rassen richten sie heute?" "Guten Tag, entschuldigen Sie, vor dem Richten darf ich keinen Kontakt zu Ausstellern haben." So oder ähnlich. Nach dem Richten dann gab es wieder zweierlei Begrüßungen, freundliche von denen, die gewonnen hatten, und weniger freundliche von denen, die verloren hatten. Allerdings gab ich mir Mühe, auf jedem Richterbericht etwas Positives von der betreffenden Katze zu schreiben, und das wirkte immer sehr versöhnend. Und die positive Bemerkung kam sehr oft mehr von Herzen, als die stereotype Standardbeurteilung. Die Katzen, die nicht zur Elite gehörten, waren oft die liebsten.

Ich habe durch den ganzen Ausstellungszauber einen ganz neuen Einblick in die menschliche Psyche bekommen. Irgendwie waren die Ausstellungen ein Spiegel des menschlichen Lebens überhaupt. Irgendwas muss man haben, was man ungeheuer wichtig findet, das einen beschäftigt. Und wenn es auch nur der perfekte Stand der Ohren einer Siamesin ist oder der tragische weiße Fleck im braunen Fell, der - laut Standard - so schrecklich verboten ist. Im "normalen" Leben will eben jeder "sein Schäfchen ins Trockene bringen" und auf den Ausstellungen will jeder gern "seine Katze auf die Bühne" bringen, zur Preisverleihung.

Im großen und ganzen haben sich diese Erinnerungen in meinem Gedächtnis zu einem Erinnerungsbrei verdichtet. Übrig geblieben sind hauptsächlich die Bilder von den Reisen hin und zurück zu den Ausstellungen: Reisen am Rhein entlang, Flugreisen, bei denen man "über den Wolken" am Fenster sitzen und beim Landen die Alpen oder die nordischen Fjorde oder das Meer sehen konnte. Ich gab mir Mühe, wenn es eben ging, allein zu reisen. Nur dann kann man in Ruhe die Weite genießen und seinen Gedanken nachgehen, ohne daß einer einem dazwischenredet. Hier und da lernte ich wirklich gute und feine Menschen kennen. Mit einigen davon stehe ich noch heute in Verbindung. Aber die Katzen, von denen einige noch in meiner Erinnerung einen Platz haben, waren und bleiben das Beste an dieser Periode in meinem Leben.

Das allerbeste allerdings war doch das "Nach Hause kommen", zu meinem Mann, zu den Tieren und zu dem schönen, alten Haus mit seinem Zauber und zu den Bäumen und Blumen. Dann wußte ich, daß es nicht ehrlich ist, um Verlorenes zu trauern, wenn noch so viel Liebenswertes übrig geblieben ist.

Trotzdem dachte ich darüber nach, ob ich mir noch einmal eine Wildkatze besorgen sollte. Ich wußte inzwischen, daß man sich besser nicht mit einem Zoohandel in Verbindung setzen soll. Auch wenn man damit ein Tier finden könnte, das sonst vielleicht in verkehrte Hände käme, so ist es doch gefährlich, dem Handel das Gefühl zu geben, daß es einen "Markt" für wilde Tiere gibt. Aber irgendeines aufzunehmen, das gerade ein liebevolles Zuhause nötig hat, das wäre für beide Teile eine Lösung.

Als meine Tochter mit ihrer Familie zu einer Reise nach Peru und Bolivien startete, habe ich sie ganz bewusst nicht gebeten, mir eine Wildkatze von dort mitzubringen, wenn das möglich sei. Ich wußte, daß ich sie mit einer solchen Bitte nur belasten würde und fürchtete außerdem, daß es, wenn sie sich nach einer Margay auch nur erkundigen würde, vielleicht einem Muttertier das Leben kosten könnte. Es wäre immerhin möglich, daß jemand denkt: "Da gibt es etwas zu verdienen."

Heute gibt es EG-Gesetze, die den Import von bedrohten Tierarten verbieten, grundsätzlich mit Recht, schon darum, weil es die Vernichtung der Arten zu bekämpfen gilt und auch, weil die meisten Tiere der Heimat entrissen werden und dadurch einem unglücklichen Leben entgegengehen. Aber diese Gesetze gab es zu der Zeit noch nicht.

Peru, das war für mich das Land der schönen Berge, der seltsamen Pflanzen und Tiere. Es würden zweifellos auch kleine Wildkatzen dort vorkommen, dachte ich. Wir waren sehr gespannt auf die Berichte. Es kamen auch regelmäßig Briefe. Sie waren lange unterwegs gewesen. Jedes Mal sagten mein Mann und ich dann zu einander: "Nun wissen wir wenigstens, daß sie vor zwei Wochen noch alle gelebt haben." Internet und Email gab es schließlich damals noch nicht.

Die Briefe erzählten von der Schönheit der Landschaft dort, der Armut der Menschen und dem Bedauern, daß die "Entwicklungshilfe" so wenig ausrichtet. Die Erforschung der Effektivität der holländischen Entwicklungshilfe war nämlich das Ziel der Studienreise. Dementsprechend waren die Berichte von Marion. Von Tieren schrieb sie zu meinem Erstaunen gar nichts. Ihre Beobachtungen waren völlig auf Menschen programmiert.
Erst viel später, als die Familie schon lange wieder zu Hause war, erzählte Marion mir, daß sie eine einzige Margay in Peru gesehen hätte. Das sehr junge Tierchen saß auf der Schulter eines jungen Mannes, war angekettet und wurde zum Kauf angeboten. Sie haben sie nicht für mich gekauft und das hat mich doch ziemlich traurig gemacht. - Was wird aus dem Tierchen geworden sein? Hat sie ihre Gefangenschaft an der Kette überlebt? Hat irgend jemand sie gekauft, der sie verstand und gut versorgte? Ist sie in einem Zoo gelandet oder bei diesen schrecklichen Leuten in Amerika, die wilde Tiere kaufen, um sie in einer Bar oder in Geschäften als Reklameattraktion zur Schau zu stellen? Das geschieht auch mit Affen, Papageien, selbst mit großen Raubtieren, wie Löwen, Pumas und sogar mit Tigern. Ich las einen Bericht von einem Äffchen, das blind in einer Bar saß. Es war von den vielen Blitzlichtaufnahmen erblindet, die mit Touristen "zum Spaß und zur Erinnerung" von ihm gemacht waren. Die Proteste der Tierschutzorganisationen richten nichts aus, und die Regierungen haben andere Probleme, die sie auch nicht bewältigen können.

Wie dem auch sei, der kleinen Margay dort in Peru habe ich nicht helfen können, so gern ich es getan hätte. Sicher ist, daß sie ihre Freiheit nicht zurückbekommen hat, sie war schließlich schon ein Handelsobjekt.

Einmal habe ich versucht, mit einem "Verein zur Rettung der Wildkatzen" in Deutschland Kontakt aufzunehmen, dessen Anschrift ich bekommen hatte. Ich habe erklärt, daß ich sechzehn Jahre lang südamerikanische Wildkatzen gehabt hätte und wie ich sie versorgt habe. Leider habe ich auf meinen Brief niemals Antwort bekommen, obschon mir zu Ohren gekommen war, daß man dort dringend Auffangadressen für "abgedankte" Wildkatzen suchte. Die meisten dieser Wildkatzen waren in der Hoffnung erworben, ein Haustier aus ihnen zu machen, das die schönen Möbel und andere Kostbarkeiten in der Wohnung respektierte. Wenn das nicht klappte, wurden sie einfach wieder abgedankt.

Unser Glück war es, daß wir mit unseren Tieren in einem so toleranten Ort wie Ingen leben durften. Genau zwanzig Jahre haben wir dort gewohnt. Mein Mann hatte schließlich seine Praxis verkauft. Sein Herz war zwar repariert, aber doch nicht mehr dem Stress der anstrengenden Arbeit in seinem Beruf gewachsen. Da war es wirklich ein Segen, daß er nicht, wie so manche Pensionäre, in ein Vakuum fiel, sondern gesunde Beschäftigung genug in und um den Bauernhof fand. Die Tiere freuten sich, daß er jetzt immer für sie da war. Und er verlagerte sein Organisationstalent vom Büro auf das Haus. In den ersten Jahren fing ein großer Teil seiner Aussprachen mit den Worten an: "Findest du nicht, daß man das so viel praktischer machen kann?" Meist hatte er sogar recht.

Die Jahre, die darauf folgten, waren ruhig und schön. Wir waren immer beschäftigt und alles, was wir taten, hatte mit dem Leben zu tun. Junge Katzen, junge Lämmchen, Küken, aber auch die Freude, wenn man am Morgen in den Garten ging und feststellte: "Die Kirschen blühen!" oder: "Die Himbeeren sind reif!"

Die Winter allerdings fielen uns immer schwerer zu ertragen. Der ständige Wechsel vom warmen Haus durch Wind und Schnee zu den verschiedenen Behausungen der Tiere; so vieles, das draußen getan werden mußte, es ging uns immer mühseliger ab. Als sich dann die ersten Anzeichen von Asthma bei mir meldeten und mich eine Dauerbronchitis quälte, fiel zum ersten Mal das Wort "Umzug". Schließlich stellte sich bei einem Allergietest bei mir auch noch heraus, daß ich allergisch gegen Federn bin. ...

"Haben Sie ein Federbett oder Federkissen" fragte der Lungenarzt "oder vielleicht einen Kanarienvogel?"

"Das Federbett werde ich wegwerfen und einen Kanarienvogel habe ich nicht.", konnte ich nach Wahrheit antworten.

Die Tauben für die Wildkatzen, die Küken, die ich wöchentlich im Auto von der Brutanstalt holte, der enge Kontakt mit den zahmsten meiner inzwischen vielen Hühner, das alles habe ich ihm lieber verschwiegen. Aber das hatte meine Lungen angegriffen und mir nur noch einen Bruchteil des normalen Atmungsvorganges gelassen. Ein Lungenemphysem heißt so etwas.

Mein Kontakt zum Tierarzt ist immer besser gewesen als der zu den Menschenärzten. Um genaueres über das Wort Emphysem zu erfahren, fragte ich bei der nächsten Gelegenheit meine Tierärztin: "Ein Lungenemphysem, kommt das auch bei Tieren vor?"

"Ja, bei Pferden kommt es oft vor", antwortete sie. "vor allem, bei Rennpferden, die ihr Äußerstes geben müssen, aber auch bei sehr intensiv gebrauchten Arbeitspferden."
"Aha, und womit werden die behandelt?"
"- Behandelt? Gar nicht. Wenn sie Emphysem haben, werden sie geschlachtet. Warum fragen sie das eigentlich?"
"Och, ich habe auch ein Lungenemphysem, aber mein Arzt hat noch nichts von schlachten gesagt."

Peinliche Stille, dann: "Oh!"

Pferde, meine Schicksalsgenossen! Nicht, weil sie sich freiwillig angestrengt haben, wie ich, die ich immer alles selbst tun wollte, alles halten und behalten, nichts delegieren. Das war meine eigene freie Wahl. Aber Pferde, die für ein freies Leben geschaffen sind, wurden von Menschen zum Gebrauchsgegenstand gemacht. Es ist unbegreiflich, daß man das normal findet. Immer schon und noch heute. - "Der Held stürzte sich hoch zu Rosse in die blutige Schlacht." Solche schönen Sätze findet man nicht nur in den Geschichtsbüchern. Wer hat im Kriegsrausch je darüber nachgedacht, was ein Pferd empfindet, wenn es im Kugelhagel gegen die anderen, ihm keineswegs feindlich gesinnten Pferde eingesetzt wird? Ein Rotes Kreuz für Pferde gab es früher natürlich nicht. Wenn sie Glück hatten, bekamen sie den "Gnadenschuss", wenn sie so verwundet waren, daß sie nicht mehr "brauchbar" waren.

Im 2.Weltkrieg waren allein auf deutscher Seite 2,75 Millionen Pferde im Einsatz, davon 2 Millionen an der Ostfront. Sie zogen mit den Landsern tausende Kilometer durch das riesige Land. Durch Staub, Schlamm und Schnee ... Gefallen sind von den zwei Millionen 1,7 Millionen. Ihre Arbeit und vor allem ihre Not wären ein Denkmal wert!. (Zahlen aus "Unternehmen BARBAROSSA/1978 von Paul Carell)

Im August 1944 schoss bei Witebsk ein durchgebrochen russischer Panzerspähtrupp das Pferdelazarett des 6. Korps zusammen. Panzer gegen Pferde! ...Man denkt beim Russlandkrieg immer an Panzer - aber das Pferd war sein Wahrzeichen.

Dies ist nur ein Vorbild von einem Kriege, einem in dem es schon Fahrzeuge gab, die motorisiert waren. Die Zahl der Pferde, die, seit Menschen Kriege führen, und das ist wohl ungefähr so lange es Menschen gibt, in allen Kriegen der Welt gelitten haben und gestorben sind, muss ins Unendliche gehen.

Arbeitspferde werden überall auf der Welt bis zur Erschöpfung ausgebeutet, Rennpferde rennen sich, im wahrsten Sinne des Wortes, die Seele aus dem Leib. Sogar die wenigstens mit gutem Willen relativ ausreichend versorgten Tiere in der Manege leben im Durchschnitt nicht länger als ca. sieben Jahre, während ein Steppenpferd in der freien Natur bis zu dreißig Jahre alt werden kann.

Wie unverschämt die Spezies "Mensch" doch ist, daß sie sich so zum Schicksalsbeherrscher aller anderen Geschöpfe selbst ernennt!

Wenn je eine Tierart vom Menschen zum Sklaven gemacht worden ist, dann sind es die Pferde und das in einer Zeit, in der das Wort Sklavenhalter zum Schimpfwort geworden ist. Zehn Millionen Jahre lang wussten Pferde, daß etwas, das auf ihren Rücken sprang, ein Raubtier war, das sie zerfleischen würde. Das Raubtier Mensch, das von nun an auf seinen Rücken springen wollte, jagte ihm unaussprechliche Angst ein. Vor sechstausend Jahren fing der Mensch an, das Pferd als Transportmittel für sich und seine Lasten zu gebrauchen. Dazu mussten Pferde "gezähmt" werden. Das geschah mit den grausamsten Methoden, die man sich vorstellen kann. Der Wille der stolzen Tiere mußte gebrochen werden. Darum hieß die "Zähmungsmethode" auch "break the horse".

Nirgendwo wird die Grausamkeit der menschlichen Natur deutlicher, als beim Umgang mit den edelsten und treuesten Tieren der Welt, den Pferden. Erst in diesem Jahrhundert sind ein paar Pferdefreunde auf die Idee gekommen, daß man mit Pferden in "ihrer Sprache", einer Gebärdensprache, reden kann man das Vertrauen des Tieres gewinnen und sich seine freiwillige Mitarbeit versichern. In dem Buch, "Der Pferdeflüsterer", wurde diese Methode beschrieben. Es sind darin die Erfahrungen verschiedener Menschen, die auf diese Weise mit Pferden arbeiten, zusammengebracht. Das Buch wurde kürzlich auch verfilmt. Einen besseren Beweis als die Geschichte vom Pferdeflüsterer gibt es gar nicht dafür, daß der Spruch von de Saint Exupéry eine große Wahrheit enthält: "Zähmen, das heißt sich vertraut machen!" Es wird noch lange dauern, bis Menschen lernen, daß sie, so weit sie es überhaupt wert sind, das Vertrauen aller Tiere hätten erwerben können, auch derer, die sie "wild" finden. Vielleicht ist es dazu bereits zu spät.

Die "Freunde der Menschen" werden die Pferde genannt. Aber auch diese Freundschaft ist ein von Menschenseite gebrochener Kontrakt. Welch ein Glück für mich, daß der Unterschied von nur ein paar Genen mich zum Menschen gemacht hat! Trotzdem fühle ich mich mit den Pferden verbunden, wenn auch mein Emphysem sehr fachkundig behandelt wird und bisher noch immer niemand mit Schlachtung gedroht hat. Meine "Schlachtbank" war die Erkenntnis, daß ich die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, nicht mehr fortführen können würde.

- Gab es ein Leben fern von unserem geliebten alten Haus, den vielen Tieren, den Bäumen? Es schien undenkbar. Aber unser Hausarzt hatte immer mehr Bedenken hinsichtlich unserer Kraft, das alles weiter durchzustehen: "Sie müssen sich mehr schonen!"

"Schonen, was ist das?"

Wir hatten gelernt, daß man zwar vieles einer bezahlten Hilfskraft überlassen konnte, aber die persönliche Sorge für die Tiere nicht. Wer würde schon an unserer Stelle in der Nacht bei einem Schaf bleiben, das werfen muss? Wer würde bei Frost spät am Abend und sehr früh am Morgen warmes Trinkwasser zu den Schafen bringen, wenn das Wasser, selbst im Stall, gefroren war? Oder wer würde, an einem frostigen Abend, mit Leiter und Taschenlampe bewaffnet, Hühner aus Bäumen fangen und sie in den Stall bringen, damit in der Nacht ihre Füße nicht erfrieren würden? Ich hatte da eine höchst persönlich Methode entwickelt. Am Tage kann man freifliegende Hühner nämlich nicht fangen. Im Dunkeln sind sie blind und trauen sich nicht, zu fliegen. Dann muss man sie kurz mit der Taschenlampe lokalisieren, schnell das Licht löschen, auf eine Leiter klettern und eins der Hühner greifen und in den Stall bringen. Das alles ... zig mal. Man wird, trotz der Kälte, ganz schön warm dabei und es ist bestimmt genau so gute Körperbewegung wie Jogging, d.h. wenn man nicht zufällig allergisch gegen Hühnerfedern ist. Auf die Dauer wurde ich zum Hühnerfangexperten. Für solche Tätigkeiten findet man niemand anders.

In langen, schwierigen Gesprächen haben wir uns zu einem Entschluss durchgerungen. Dann wussten wir: es mußte sein! Zwei Jahre lang habe ich noch im ganzen Land nach einem passenden Haus für uns gesucht. Endlich fand ich eins, das zwar kleiner als das Haus an der Jacob Marislaan in Arnheim war, aber ungefähr dieselbe Einteilung hatte. Nur der Wintergarten fehlte und den haben wir noch angebaut. Vor allem war das Haus, im Vergleich zum alten Haus in Ingen, ungeheuer pflegeleicht. Es lag genau mitten zwischen Arnheim und Ingen, in einem Dörfchen, das Driel hieß und auch am Rhein lag, wie Arnheim und Ingen auch. Das Beste daran war, daß es einen relativ großen Garten hatte mit einer doppelten Garage, die als Katzenvilla umgebaut werden konnte. So bot es uns die Möglichkeit, wenigstens die Katzen mitzunehmen. Für die anderen Tiere mußte ich neue Liebhaber finden. Das war ein sehr schmerzlicher Prozess.

Das Märchen vom alten Haus hatte genau zwanzig Jahre gedauert.



Dieses sind Kleinfleckkatzen, auch Salzkatzen genannt, (Leopardus geoffrey) Besitzer und Fotos Heiko von Glovsevsky. Mit einer solchen Wildkatze, der kleinen "Margaytje" fing alles an.

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