Domestikation der Katze
von Marcus Skupin | Welt der Katzen (Stand: 20. April 2020)
Die domestizierte Katze
Eine wirkliche Domestikation der Katze durch den Menschen, das heißt die gezielte Trennung von der Wildform sowie die Auslese nach willkommenen Eigenschaften über zahlreiche Generationen hinweg, hat lange nicht stattgefunden. Die Katze hat sich vielmehr aus freien Stücken in der Nähe des Menschen angesiedelt, sich ihm angeschlossen, da sie nahe der menschlichen Behausungen genügend Nahrung in Form von Mäusen und Ratten fand. Insoweit handelt es sich bei der Domestikation der Katze wohl zunächst eher um eine Selbstdomestikation.
Die Menschen dürften recht schnell erkannt haben, dass die Anwesenheit von Katzen sich positiv auf die Getreidebestände auswirkten, indem sie auf die Jagd nach Nagetieren gingen. So ist davon auszugehen, dass sie die Tiere zunächst geduldet und später vielleicht sogar gefördert haben [4 = A18].
Unterschiede wilde und zahme Katze
Vergleichende Untersuchungen des genetischen Codes von Hauskatzen verschiedener Rassen mit Wildkatzenarten ergaben, dass die Hauskatze ihren wilden Verwandten genetisch nach wie vor nahezu entsprechen. Dennoch sind einige Veränderungen erkennbar, die sich im Laufe der Haustierwerdung ergeben haben.
Der Körper von Hauskatzen ist insgesamt etwas kleiner als der von Wildkatzen. Dänische Archäologen hingegen berichten, untersuchte Knochen der Hauskatze belegen, dass die Tiere heute wiederum rund 16% größer seien als die Hauskatzen zur Zeit der Wikinger. Sie vermuten, die gute Versorgung der Tiere habe mit der Zeit zu diesem "Wachstum" geführt. Zugenommen hat insbesondere die Größe der Gliedmaßenknochen und der Unterkiefer (16%) und selbst die Größe der Zähne stieg um rund 5,5%. Unverändert ist die Schädelform. [2] Die Gehirnmasse der Katzen hat seit der Wikingerzeit abgenommen.
Der Darm von Hauskatzen ist länger als der ihrer wilden Verwandtschaft. Dies kann mit der Veränderungen der Nahrung erklärt werden. Die Nebennieren, in denen eine Großzahl von Hormonen für den Katzenkörper bereit gestellt wird, sind hingegen kleiner geworden. Verändert hat sich auch die Stellung und Länge der Eckzähne der Hauskatze. Sie stehen etwas enger beieinander und sind länger, ermöglichen damit einen verbesserten Tötungsbiss ins Genick kleinerer Säugetiere.
Obwohl die Verhaltensweisen der Hauskatze, denen wilder Katzen größtenteils entsprechen, sind kleinere Veränderungen auch bezüglich der kognitiven Fähigkeiten der Hauskatze erkennbar. So ist die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses der Hauskatzen etwas besser als die der Wildkatzen. Hauskatzen sind entspannter und zumeist wesentlich weniger scheu. Sie weisen deutlich geringere Angriffs- und Fluchttendenzen auf, als wilde Katzen.
Lange konnte die Wissenschaft nicht zweifelsfrei klären, wann, wo und von wem die Katze eigentlich erstmals "gefördert" wurde. Gegen die lange Zeit und von vielen vertretene These, dass die Ägypter die ersten gewesen sein könnten, die die Katze vor ca. 3000 Jahren domestiziert haben, sprechen beispielsweise die folgenden Funde:
10.000 Jahre alt
sind die auf Zypern gefundenen Kieferknochen einer Falbkatze. Auf Zypern leb(t)en jedoch keine Wildkatzen, so dass die Knochen zumindest von einem gezähmten Tier stammen müssen; ebenfalls in Zypern gefunden wurde eine Grabstätte, die die Knochen eines Menschen und einer Falbkatze enthält und etwa aus der gleichen Ära stammt.
8.000 Jahre alte
Knochen und Zähne von Katzen in Deh Luran (Iran) sowie aus Jericho (Israel) weisen ebenfalls auf bereits domestizierte Katzen außerhalb Ägyptens hin.
7.000 Jahre alt
ist die Figur einer Frau, die eine Katze auf dem Arm hält, die in Hacilar (Türkei) gefunden wurde.
5.300 Jahre alt
sind die Katzenknochen, die in China in der Nähe des modernen Dorfes Quanhucun gefunden wurden. Nach den Untersuchungen der Knochen hatten die Katzen menschliche Kontakte. Die Besonderheit; die Untersuchungen ergaben auch, dass es sich bei den Katzen in allen Fällen um die Gattung Prionailurus, konkret die Asiatische Bengalkatze, handelte. Die heutigen Hauskatzen gehören allerdings auch in China insgesamt zur Gattung Felis.
5.000 Jahre alt
ist ein im Irak gefundenes Sigel, dass die Abbildung eines Mannes mit einer Katze zeigt.
4.500 Jahre alt
ist ein in Chanhu Daro (Pakistan) gefundener Ziegel, der den Pfotenabdruck einer Katze zeigt. Denkbar wäre allerdings auch, dass der Abdruck zufällig durch eine Wildkatze entstand.
Darüber hinaus existieren verschiedene Funde und Darstellungen von Kleinkatzen aus Kreta und Pakistan, die alle auf etwa 2.000 Jahre v. Chr. datiert wurden.
Wissenschaftliche Untersuchungen mitochondrialer DNA von etwa 1.000 Katzen (afrikanischen Falbkatzen, chinesische Wüstenkatzen, europäische Wildkatzen, Steppenkatzen sowie gezüchteten und verwilderten Hauskatzen) die Carlos DRISCOLL u.a. vor einigen Jahren durchführten, legen nahe, dass unsere Hauskatzen sich dem Menschen zuerst im Nahen Osten "angeschlossen" haben. Dies dürfte etwa 7.000 bis 8.000 Jahre vor Christus im sogenannten Fruchtbaren Halbmond stattgefunden haben, zu einer Zeit also, als dort die Menschen sesshaft wurden und sich der Landwirtschaft zuwandten (siehe Karte). Von dort aus verbreitete sich die Katze, nach LIPINSKI, im Laufe der Zeit; auch über die alten Handelsrouten im gesamten Mittelmeerraum und bis nach Ostasien.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie aus dem Jahr 2017, mit der DNA-Proben von gut 350 Katzen aus einem Zeitraum von 9.000 Jahren ausgewertet wurden. Die heutige Hauskatze entstand danach aus der Vermischung zweier Linien. Mit der "ersten Welle" kamen Katzen etwa in der Zeit aus vor 10.000 Jahren bis vor 6.400 Jahren (8.000 - 4.400 BC) aus dem Fruchtbaren Halbmond über die heutige Türkei nach Europa. Diese Tiere vermischten sich schließlich ab etwa einem Zeitraum von vor 3.000 Jahren (1.000 BC) mit domestizierten Katzen, die während der Ära des Römischen Reiches auf dem Seeweg über das Mittelmeer ihren Weg zunächst nach Südeuropa fanden. Beide Linien sind in unseren heutigen Hauskatzen nachweisbar. [3]
Das Schwierige an der Erforschung der Haustierwerdung der Katze ist die Tatsache, dass es in den meisten Fällen (bisher) nicht möglich ist, festzustellen ob sich eine gefundene Katze "zufällig" an dem jeweiligen Fundort befand, z.B. weil eine Wildkatze nahe menschlicher Behausungen jagte und dort ums Leben kam oder ob es sich um eine Katze gehandelt hat, die bei und mit den Menschen lebte. (Q: D 01)
Beginn der Rassekatzenzucht
Fest steht, dass man erst mit Beginn der Rassekatzenzucht im eigentlichen Sinne, d.h. seit etwa 150 Jahren von einer wirklichen Domestikation der Katze sprechen kann. Seit dieser Zeit lassen sich auch einige der üblichen Folgen von Domestikation bei der Katze feststellen. Hierzu zählen beispielsweise die Erweiterung der vorkommenden Fellfarben, Verlust oder Verminderung natürlicher Verhaltensweisen, Veränderung des Typus und anderes.
Sicher ist zudem, das im Alten Ägypten bereits systematisch Katzen für Kulthandlungen gezüchtet wurden (Katzenkult). In diesem Fall scheint allerdings eine konkrete Zuchtauswahl durch den Menschen nicht stattgefunden zu haben. Unter züchterischen Aspekten waren die Alten Ägypter also eher Katzenvermehrer als Katzenzüchter.
Insgesamt ist die Katze ihrer wilden Stammform nach wie vor noch sehr ähnlich, was damit zu tun hat, dass Katzenzucht hauptsächlich unter ästhetischen Gesichtspunkten erfolgt und daher bei der Zucht vor allem auf Farbe und Fellqualität gezüchtet wird, während die Züchter - mit Ausnahme der Verträglichkeit der Katze gegenüber dem Menschen - die natürlichen Eigenschaften der Katze eher unangetastet lassen.
Quellen:
[1] Lipinski, Monika J.; Froenicke, Lutz; Baysac, Kathleen C. u.a., The ascent of cat breeds: Genetic evaluations of breeds and worldwide; random-bred populations, Genomics 91, 12-21, 2008
[2] Bitz-Thorsen, Julie; Gotfredsen, Anne Brigitte: Domestic cats (Felis catus) in Denmark have increased significantly in size since the Viking Age, Danish Journal of Archaeology, 03.12.2018, https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/21662282.2018.1546420?journalCode=rdja20, abgerufen am 02. April 2020
[3] Ottoni, Claudio; et al.: The palaeogenetics of cat dispersal in the ancient world, Nature Ecology & Evolution volume 1, Article number: 0139 (19. Juni 2017)
[4] = A18
[5] Skupin, Marcus: