Langschwanzkatze

1884 Brehm

Häufiger als die beiden letztgeschilderten Arten der Familie scheint in den brasilianischen Wäldern die Langschwanzkatze (Felis macroura, F. Wiedii, Leopardus tigrinoides) zu sein. Ihre Größe kommt der einer starken Hauskatze etwa gleich; ihre Pfoten sind jedoch viel stärker als bei letzterer. Die Gesammtlänge beträgt 90 bis 100 Centim., die Schulterhöhe 25 bis 30 Centim. Vom Tschati unterscheiden sie der längere Schwanz, der kleine Kopf, die großen Augen, die lanzettförmig abgerundeten Ohren und die stark gekrümmten, weißlichen Krallen. Ihre Grundfärbung ist röthlich braungrau, an den Seiten heller, unten weiß. Der ganze Leib ist unregelmäßig graubraun oder schwarzbraun gefleckt; einzelne Flecke umschließen einen lichteren Hof. Auf dem Oberkörper verlaufen fünf dunkle Längsstreifen, an der Stirne zwei schwarze Streifen, dazwischen Punkte, an den Seiten des Kopfes zwei dunkle Längsstreifen, unter der Kehle ein dunkler Querstreifen. Die Fußsohlen sind graubraun.

»Die Langschwanzkatze«, sagt Prinz Neuwied, »lebt in allen von mir bereisten Gegenden. Anfänglich wurde sie von mir für eine Mbaracaya gehalten, bis ich beide Thiere genauer verglich. [448] Von dem Marguay und dem Ozelot ist sie verschieden. Ihre schlanke Gestalt, das bunte Fell, welches übrigens mit dem der Mbaracaya höchst übereinstimmend gezeichnet ist, machen sie zu einem der schönsten Thiere der Katzenfamilie. Meine Jäger fanden sie an verschiedenen Orten, und ich kann deshalb sagen, daß sie fast in allen großen Urwäldern Brasiliens lebt. Bei den Brasilianern trägt sie den Namen der gefleckten Wildkatze und wird von ihnen ihres schönen Felles wegen oft geschossen. Da sie weit leichter und behender ist als die Mbaracaya, steigt sie besonders gern an den Schlinggewächsen auf und ab, durchsucht die Bäume nach mancherlei Thieren und Vogelnestern und erhascht und verzehrt dabei alle kleineren Thiere, welche sie erreichen und bewältigen kann. Wilden und gezähmten Hühnern wird sie ebenfalls sehr gefährlich und kommt deshalb häufig genug an die Wohnungen heran, um Federvieh zu rauben. Ihr Lager schlägt sie in hohlen Stämmen, Felsenklüften oder Erdhöhlen auf und bringt dort auch ganz nach Art unserer Wildkatze ihre Jungen zur Welt.

Gewöhnlich fängt man sie in Schlagfallen. Ich erhielt in den großen Urwäldern am Mukuri auf diese Art in vierzehn Tagen drei solche Katzen. Eine vierte schoß einer meiner Jäger von einem Baume herab und wollte sie ergreifen, allein sie entsprang, da sie nur leicht verwundet war. Ein Hund, welcher sie findet, treibt sie augenblicklich auf einen Baum, und dann kann man sie leicht herabschießen. Nur der Zufall bringt den Jäger in Besitz des schönen Thieres, weil man ihm auf seinen Streifzügen, welche es ebenso wohl bei Tage als bei Nacht übernimmt, nicht gut folgen kann.«

Hensel, nach Prinz von Wied unstreitig einer der schärfsten Beobachter des brasilianischen Thierlebens, weiß Vorstehendem wenig hinzuzufügen. »Wie alle Katzen«, bemerkt er, »lebt die Langschwanzkatze stets auf der Erde und besteigt die Bäume nur dann, wenn sie von den Hunden verfolgt wird, oder nach Regenwetter, wenn der Grund des Waldes zu naß geworden ist. Dann liegt sie ausgestreckt auf einem wagerechten Aste, um sich den wärmenden Strahlen der Sonne auszusetzen. Wie man an den Fährten sehen kann, besucht sie jede Nacht die Pflanzungen der Waldbewohner.

In der neueren Zeit kommt eine oder die andere dieser Katzen lebend zu uns herüber, immer selten und einzeln. Von denen, welche ich sah, hatte sich keine mit dem Menschen befreundet; alle waren im Gegentheile äußerst boshafte und wüthende Geschöpfe, welche zischten und fauchten, wenn man sich ihnen nahete. Richtete man den Blick fest auf sie, so knurrten sie ingrimmig und peitschten dabei höchst verständlich mit dem Schwanze; näherte man sich einen Schritt weiter, so fuhren sie fauchend bis an das Gitter heran und stellten sich trotzig zur Wehre, ganz nach Art unserer ebenfalls fast stets übelgelaunten Wildkatze. Im Zustande gemüthlicher Behaglichkeit, wie ihn Beckmann auf unserer Abbildung wiedergegeben, habe ich sie nie gesehen. Demungeachtet bin ich weit entfernt, behaupten zu wollen, daß sie unzähmbar seien.

Verwendet wird die erlegte Langschwanzkatze wie ihre Verwandten.

Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CDXLVIII448-CDXLIX449

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