Kapitel 03 - Kleine Buena

Das erste Ergebnis meiner vielseitigen Korrespondenz zeigte sich in den ersten Septembertagen des Jahres 1961. Aus England kam meine erste Abessinierkatze "Taishun Cleonie". Sie war gut drei Monate alt, sehr anhänglich und zärtlich, und sie war so schön, wie ich gehofft hatte, dass sie sein würde. Ein schlankes Körperchen, beweglich, elegant und gehüllt in ein löwenfarbiges Fell.

Der Vergleich mit Löwen wird bei Abessiniern oft gemacht. Sie haben einen geschmeidigen Körper und die etwas tänzelnden Bewegungen. Das Fell der "wildfarbenen" Abessinier erinnert an die Farbe des Löwenfelles. Das bringt ihnen dann auch den oft etwas scherzend ausgesprochenen Namen "Miniaturlöwen" oder der kleinen "Salonlöwen" ein. In Wirklichkeit stammen sie wohl - ebenso wie unsere Hauskatzen - von den ägyptischen Falbkatzen ab, nur ist bei den Abessiniern bewusst auf die "Fast-Kopie" der Falbkatze gezüchtet. Jedenfalls war das so in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts, als die Abessinier in England auftauchten bis noch zum zweiten Weltkrieg. Inzwischen hat Katzenzüchter-Ehrgeiz und das Bedürfnis der Menschen die Natur "zu verbessern" da so Einiges verändert.

Die Falbkatzen (Felis silvestris lybica), die bereits etwa im Jahre 2000 vor unserer Zeitrechnung gelebt haben sollen, waren sandfarbige, gelbliche oder auch etwas rötliche, recht zierliche Wildkatzen, die sich scheinbar leicht zähmen ließen. Die Römer brachten sie zu Beginn unserer Zeitrechnung nach Europa.

Über die weitere Entwicklung bestehen verschiedene Theorien, vielleicht haben die hier in den Wäldern lebenden Europäischen Wildkatzen (Felis silvestris) durch Paarung mit den von den Römern importierten Falbkatzen ihren Beitrag zur Entstehung der Hauskatze in ihrer heutigen Form beigetragen. Aber das ist ein umstrittenes Thema.

Die Abessinier dagegen sind, wie ihre Entstehungsgeschichte erzählt, den kürzeren Weg gegangen. Die ersten ihrer Art, wahrscheinlich bereits zahme Falbkatzen, wurden als Kriegsbeute von englischen Truppen von Afrika nach England gebracht. Die Engländer führten 1868 einen kurzen, aber heftigen Krieg gegen Äthiopien, den sie gewannen.

Die "Wildfarbe", die den Abessiniern einen so faszinierenden Eindruck gibt, entsteht dadurch, dass jedes Haar auf ihrem löwenfarbigen Fell noch ein schwarzes "Ticking" trägt. Das "Ticking" ist eine zwei- bis dreifache Bänderung im gelblichen Haar und eine schwarze Haarspitze. Es liegt wie ein Schleier über dem Fell und gibt den Katzen den speziellen Wildkatzeneffekt. Der offizielle Name dieser Haarfärbung ist übrigens "Agouti".

Dr. Rosemarie Wolff schreibt in ihrem Buch über Rassekatzen, dass die Abessinier dem Wunschtraum nach einem "möglichst wildkatzenähnlichen Hausgenossen" nahe kommen. Was mich betrifft, stimmt das sicher. Der Anblick der kleinen Cleoni hatte geradezu etwas Tröstliches für meine "Wildkatzensehnsucht".

Die kleine Cleo passte sich erstaunlich schnell unserem Katzenhaushalt an. Sie war den Umgang mit anderen Katzen gewohnt und bei unseren "Großen" gab es keinerlei Eifersucht.
Wir waren damals angenehm überrascht. Heute, nach mehr als dreißig Jahren Erfahrung mit Katzen, hat sich mir immer wieder bestätigt, dass das Verhalten der Tiere zum großen Teil von ihren "Jugenderfahrungen" abhängig ist. Eine Katze, die unter allerhand drohenden Gefahren, z.B. auf einem Bauernhof, versteckt im Stroh, durch ihre Katzenmutter großgezogen ist, von ihr vielleicht sogar vor den Menschen gewarnt wurde, wird sich nicht so schnell an einen Haushalt voller Menschen gewöhnen, wie ein Jungtier, das in einem Haushalt aufgewachsen ist. Die "Prägung" die den sozialen Kontakt mit der Umgebung im Katzengehirn festlegt, findet eben in den ersten Lebenswochen statt und kann nicht nachgeholt werden. Einen Lernprozess, der Erfahrungen (sogar die Erfahrungen der Eltern) dazu fügen kann, gibt es allerdings und er kann das Prägungsverhalten korrigieren.

Unser Jantje musste wohl eine sehr liebevolle Katzenmutter gehabt haben, er bemutterte die kleine Cleo vom ersten Tag an, genau wie er es damals mit unserem Margaytje tat.

Kaum eine Woche war unser Abessinierkätzchen bei uns, da überstürzten sich die Ereignisse. Es kam ein Telegramm aus Ecuador: Die von uns bestellte "Langschwanzkatze" würde am 15.September in Schiphol eintreffen. - Eine "Langschwanzkatze" - nicht einmal den Namen hatten wir vorher gehört. Bis zum 15. September waren es noch zwei Tage. In denen würden wir wohl herausfinden müssen, was da auf uns zu kam.

In einem alten "Brehm" der zwanziger Jahre war zwar die Rede von einer Langschwanzkatze, aber die sollte in Brasilien und Bolivien leben und nicht in Ecuador. Auch in einem Buch von Dr. Haltenorth (aus dem Jahre 1957) und in einer Schrift von der Zoologin Ingrid Weigel wurde die Langschwanzkatze genannt, gleich mit fünf verschiedenen Unterarten, aber nicht eine davon mit dem Standort Ecuador. Schließlich fand ich noch in einem anderen Buch die Zeichnung des Felles einer Langschwanzkatze. Das sah aus, wie das Fell eines ausgewachsenen Panthers.

Heute kam man in "Grzimeks Tierleben" und anderen Tierenzyklopädien ausführliche Beschreibungen der "Margay", die auch "Langschwanzkatze" oder "Baumozelot" genannt wird, nachlesen. Selbst im allerneusten Informationsmittel, dem Internet, findet man sie. Im letzteren allerdings nur in der Reihe der aussterbenden Arten. Welch ein Menetekel! In der Zeit, über die ich erzähle, vor etwa vierzig Jahren, waren die südamerikanischen Wildkatzen noch nicht vollständig registriert, etwa zehn Jahre später beschrieb Professor Grzimek sie als erster in seiner Enzyklopädie und heute, während ich dieses Buch aufs neue bearbeite (ein alter Entwurf davon liegt seit zwölf Jahren ungenützt in meiner Schublade), muss ich mich mit Informationen über Restbestände der Wildkatzen begnügen, die als Spezies bereits fast aufgegeben sind. Der korrekte lateinische Name der Baumozelots ist "Leopardus wiedi" und Dr. Grzimek beruft sich bei der Beschreibung hauptsächlich auf die beiden Baumozelots von Professor Leyhausen, von denen ich im Laufe dieser Geschichte noch erzählen werde. Aber "Grzimeks Tierleben" gibt es erst seit 1970 und wir lebten noch im Jahre 1961 und die beiden Baumozelots von Professor Leyhausen, die später im "Max-Planck-Institut" leben würden, waren zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geboren.

Es geht zwar noch weiter, aber ...

Dies war der Anfang des 3. Kapitels "Kleine Buena" aus dem Buch "Die zahmen Wilden und die wilden Zahmen" von Maria Falkena-Röhrle. Wer wissen möchte, wie dieses Kapitel weitergeht, sollte das Buch erwerben ;)

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