Aggressivität | Aggression

Marcus Skupin | Welt der Katzen Mittwoch, 24. November 2021 von Marcus Skupin | Welt der Katzen

Normal oder gestört?

Die aggressive Katze

Als Beutegreifer, also Raubtiere, benötigen Katzen "per se" eine gewisse Aggressivität um sich zu behaupten und zu überleben.

Aggressivität ist normal

Aggressivität ist zunächst eine für die Katze grundsätzlich normale Verhaltensweise. Zahlreiche Elemente des Verhaltens gehen mit Aggressionen einher. So ist die Jagd der Katze, die ja zunächst auf das Töten eines Beutetieres und dessen Verzehr abzielt, ebenso aggressiv, wie das Verhaltenspotential bei Verteidigung (inkl. Drohverhalten) und Angriff auch zwischen verschiedenen Katzen (innerartlich) [1].
Häufig sind die Übergänge zwischen verschiedenem Verhalten in sozialem Umfeld der Katze fließend (Jagd und Spiel). Die Unterscheidung lässt sich aus der fehlenden Kommunikation mit dem "Opfer" und aufgrund jagdtypischer Verhaltenssequenz treffen [2]. Doch betrachten wir einmal genauer, welche Aggressionsformen der Katze auftreten können.

Definition von Aggression

Als Aggression werden solche Verhaltensweisen definiert, die zur Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen Freiheit eines anderen führen.

10 Formen der Aggression

  • Jagdaggression. Der Beutefang ist zunächst eine normale Verhaltensweise der Katze.
    Ist die Katze daran gehindert, Jagdverhalten auszuleben, so wird das Bedürfnis häufig auf Ersatzziele umgeleitet (umgerichtete Aggression). Die Wahrscheinlichkeit steigt in der Dämmerung sowie bei einer hungrigen Katze. Die Umrichtung führt dazu, dass die Katze sich bewegende Körperteile des Menschen (insbesondere Hände und Füße, Arme und Beine, aber auch den Kopf), andere in Haushalt lebende Tiere (Katze, Hund, ...) angreift. Eine konkreter Auslöser ist vielfach nicht erforderlich oder erkennbar.

  • Soziale Aggression. Sie dient der Regelung des Zusammenlebens in einer sozialen Umgebung (Rangordnung) und ist im Regelfall eine kontrollierte Form aggressiven Verhaltens. Aggressives Verhalten tritt in diesem Zusammenhang meist gegenüber anderen Katze durch Drohen, Anstarren, Pfote heben etc. in Wettbewerbssituationen, z.B. um Futter oder Wasser, Liegeplätze u.a. auf. Auch gegenüber Menschen (Katzenhalter, Familienmitglieder, ...) kann sozial aggressives Verhalten gezeigt werden.

  • Maternale Aggression. Eine Aggressionsform, die unmittelbar nach der Geburt von Nachwuchs beginnt und rund 2 Wochen anhält. Sie dient der Verteidigung der Jungen. [4]

  • Spielaggression. Durch das Spiel mit anderen Katzen oder auch mit dem Menschen erlernen junge Katzen die Kontrolle über ihre motorische Fähigkeiten. Sie lernen beispielsweise wie intensiv sie Pfoten oder Zähne einsetzen können, ohne den Mitspieler zu verletzen. Um Spiel handelt es sich, solange alle Spielpartner es als solches betrachten. Treten bei einem der "Spieler" negative Emotionen auf, handelt es sich nicht mehr um Spiel [3].

  • Defensive Aggression. Auf eine (mögliche) Gefahr reagieren Katzen mit Flucht. Ist die individuelle Sicherheits- und/oder Fluchtdistanz unterschritten, so versuchen sie zunächst diese mit Drohen oder Scheinangriffen und dem Zurückweichen des Gegners zu erreichen. Die Distanzen variieren von Katze zu Katze, je nach persönlichem Referenzsystem. Dabei spielen die Bedrohungsart, Erfahrungen, aber auch die Stimmung der Katze eine Rolle [3]. Ist ein Entkommen aus der bedrohlichen Situation nicht möglich, reagieren Katzen mit Angstaggression.

  • Angstaggression. Wird die kritische Distanz zu einer Katze unterschritten und fühlt sie sich bedroht, reagiert sie mit Angst, wenn eine Rückzugsmöglichkeit (Flucht) nicht besteht. Diese (defensive) Angst führt zu unkontrolliert heftiger (Re-)Aktion.

  • Territoriale Aggression. Sie dient dem Schutz des eigenen Reviers und tritt auf, sofern sich eine andere Katze dem Katzenrevier nähert oder dort sogar eindringt. In Abhängigkeit vom entwickelten Referenzsystem der Katze und deren Persönlichkeit [3] kann es zu defensiven Verhaltensweisen (Drohen) oder unmittelbarem Angriff kommen. Territoriales Aggressionsverhalten endet mit dem Rückzug des "Gegners".

  • Irritative Aggression. Hierbei handelt es sich um eine defensiv kontrollierte Reaktion auf das Verhalten eines anderen Individuums, die sich in heftigen Angriffen ohne vorheriges Drohen äußert. Die betroffenen Individuen sind zu einander sozialisiert.

  • Schmerzbedingte Aggression. Die Katze reagiert auf ein unmittelbares, schmerzauslösendes Ereignis. Auch chronische Schmerzen oder Erkrankungen kommen als Auslöser in Betracht. Die Aggression richtet sich gegen "denjenigen", der von der Katze mit dem Schmerz in Verbindung gebracht wird (Tiere, Menschen, Gegenstände).

  • Frustrationsbedingte Aggression. Diese Form der Aggression kann im Zusammenhang mit einer nicht eintretenden positiv empfundenen Erwartung auftreten. Es sind zahlreiche Auslöser, so z.B. verspätete Fütterung oder ausbleibender Sozialkontakt, möglich.

Aus Sicht des Katzenhalters ist aggressives Verhalten einer Katze - obwohl es zu deren normalem Verhaltensrepertoire gehört - eines der häufigsten Probleme im Zusammenleben (vermeintliche Störung). Das betrifft die Aggressivität gegenüber dem Menschen ebenso wie gegenüber anderen Katzen, wie es gerade in Mehrkatzenhaushalten häufig zu beobachten ist.

Da normale Verhaltensweisen als Reaktionen auf einen Reiz der Herstellung von Gleichgewicht dienen, mögen diese aus menschlicher Sicht zwar unerwünscht sein, bleiben jedoch normal, solange sie nicht das (soziale) Gleichgewicht einer Gruppe stören und als pathologisch betrachtet werden müssen.

[1] Steinkamp, Julia: Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Mensch-Katze-Beziehung und die Wahrnehmung von Verhaltensproblemen bei Katzen, Diss,, Gießen 2016 mit Hinweisen auf Beaver (2004) u.a.
[2]
Schroll, Sabine; Dehasse, Joel: Verhaltensmedizin bei der Katze, Enke Verlag, Stuttgart, 2009
[3]
Schumacher, Manfred: Aggressionsformen, Kleintierpraxis Markdorf, online, https://www.kleintierpraxis-markdorf.de/informationen/verhaltensprobleme-bei-katzen/aggressionsformen/index.html, abgerufen am 24.11.2021
[4] Schneider, Barbara, et al.: Verhaltensstörungen bei der Katze, 2016

Liebe ist das höchste Gut der Welt! Wo Du sie findest, halte sie fest - denn ohne sie kannst Du nicht leben.

Marcus Skupin, 1982

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