Tiger im Lemery 1721
Tigris
Tigris, frantzösisch, Tigre, teutsch, Tyger, Tygerthier, ist ein vierfüßiges und greulich wildes, grausames Thier, welches mit der Katze sehr viel zugleich hat; allein, es ist gemeiniglich als wie ein grosser Jagthund groß. Der Kopf hat etwas von des Löwen Kopfe. Seine Augen sind gelb und gläntzend, die Zähne starck und spitz, das Fell mit unterschiedenen Farben gezeichnet, der Schwantz ist lang, die Füsse sind mit langen, krummen, sehr starcken und gar scharffen Klauen gewaffnet. Dieses Thier fällt in Indien an vielen Orten: sein Weiblein wird frantzösisch Tigresse genennet.
Der P. Louis le Comte erzehlet in seinem Bericht vom jetzigen Zustande in China, daß er in Siam solche Tyger gesehen habe, welche gantz und gar von denenjenigen unterschieden gewesen, welche manchesmahl in Franckreich zu sehen sind, theils wegen ihrer Farbe, welche falbbraun, mit breiten schwartzen Streiffen, theils wegen ihrer Grösse, indem es einige gäbe, die so groß als wie ein Roß. Sie würden Tigres royaux, Königliche Tyger genennet.
Welche Tigres d'eau, Wasser-Tyger genennet werden, dieselben sind den Katzen völlig gleich: sie nähren sich mit Fischen, halten sich aber insgemeine im Holtze und am Ufer bey den Flüssen auf.
Das Tygerschmaltz erweichet und zertheilet.
Der Titel Tigre ist sonst auch einem kleinen Gewürme beygeleget worden, welches so groß ist als wie eine Wantze, rund und grau: lateinisch heist es pulex tigrinus. Es frist das Laub von Birnen und von andern Bäumen.
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon, Leipzig, 1721, S. 1139, 1140