4. Sippe: Nebelparder (Neofelis)

Nebelparder (Neofelis macrocelis)

Nebelparder

Nebelparder

aus Brehms Thierleben, 1884

Ebensowenig wie der Löwe hat der Tiger Verwandte im engeren Sinne des Wortes; denn seine Sippschaftsgenossen, von denen einer, der Höhlentiger, Mitteleuropa bewohnte, sind ausgestorben. Eine südasiatische streifenfleckige Katze, der Nebelparder oder Rinau Dahau (Neofelis macrocelis, Felis, Tigris macrocelis, F. Diardii, nebulosa, macroceloides), nähert sich durch seinen langgestreckten Rumpf mit den kräftigen, niedrigen Beinen, den kleinen, sehr stumpfen Kopf mit den gerundeten Ohren und den langen, weichen Pelz noch am meisten dem Königstiger, ist jedoch nicht nur weit kleiner als die ser, sondern auch durch die auffallend niederen Beine und den körperlangen Schwanz unterschieden. Die Grundfarbe seines Pelzes, ein ins Aschgraue oder Bräunlichgraue, bisweilen auch ins Gelbliche oder Röthliche ziehendes Weißgrau, spielt an den Untertheilen ins Lohfarbene.

Kopf, Füße und Unterleib sind mit vollen, schwarzen, rundlichen oder gekrümmten Flecken und Streifen gezeichnet. Beiderseits des Halses verlaufen drei unregelmäßige Längsbinden; über den Rücken ziehen sich zwei ähnliche hinab; schmälere Binden finden sich auch an den Seiten des Kopfes. Auf der Schulter, den Leibesseiten und Hüften liegen unregelmäßige, winkelig gesäumte schwarze Flecken, ebensolche auch auf dem Schwanze. Die Mundränder sind schwarz gesäumt, die Ohren außen schwarz mit grauen Flecken. Die Länge des Leibes beträgt ungefähr einen Meter, des Schwanzes 60 Centim.
Bis vor wenigen Jahren war der Nebelparder ebenso selten in den Museen als in den Thiergärten, und erst seit einiger Zeit sieht man ihn in den größeren Anstalten, doch noch immer sehr einzeln. Die Eingeborenen der Insel Sumatra, woselbst der eigentlich in Siam und auf Borneo heimische Nebelparder ebenfalls vorkommt, versichern, daß er nichts weniger als wild sei und sich bloß von kleineren Säugethieren und Vögeln nähre. Unter letztere müssen freilich auch die Haushühner gerechnet werden, denen er oft großen Schaden zufügt. Der auf Sumatra übliche Name deutet, wie man sagt, auf das Baumleben des Nebelparders hin. Es wird behauptet, daß er den größten Theil seines Lebens auf den Zweigen der Bäume verbringe, dort auf seine Beute laure und als geschickter Kletterer sie hauptsächlich im Geäste und Gezweige verfolge.

Allem Anscheine nach ist der Nebelparder ein so gemüthlicher Gesell, als dies ein Mitglied des Katzen geschlechtes sein kann. Hinsichtlich seiner Größe und Stärke, welche nahezu der des Leoparden gleichkommt, zeigt er sich auffallend mild in seinem Wesen. Zwei Stück, welche Raffles besaß, waren außerordentlich behagliche Thiere und zeigten besonders viel Lust zum Spielen. Ihre langen Schwänze, welche sie ganz nach Art unserer Hauskatzen zu bewegen und als Dolmetscher ihrer Seelenstimmung zu gebrauchen verstanden, bildeten den Hauptgegenstand ihrer gegenseitigen Belustigung. Außerdem waren aber auch rollende oder schnell sich bewegende Sachen für sie der höchsten Theilnahme werthe Dinge. Man konnte sie streicheln und liebkosen, ohne befürchten zu müssen, irgend welche Unbill von ihnen zu erleiden; sie erwiederten im Gegentheile die Freundlichkeit, welche man ihnen spendete. Auch befreundeten sie sich mit anderen Thieren; einer von ihnen schloß, als er am Bord des Schiffes sich befand, innige Freundschaft mit einem Hündchen, seinem Mitreisenden, und übte seine Spiellust an diesem kleinen Gefährten in höchst rücksichtsvoller Weise aus, indem er ängstlich besorgt war, ihm durch seine bedeutende Stärke nicht zu schaden. Während er im Schiffe war, bestand seine hauptsächlichste Nahrung in Hühnern, und niemals verfehlte er es, seine Fertigkeiten zu zeigen, wenn man ihm ein Huhn hinhielt. Vor dem Verspeisen stürzte er sich nach echter Katzenart mit einem plötzlichen Sprunge auf das Huhn hin, gerade als wenn es lebend gewesen wäre, biß es in den Hals und versuchte, das Blut zu saugen. Manchmal spielte er stundenlang mit dem Vogel, gerade so, wie es die Katzen mit Mäusen zu thun pflegen, und erst, nachdem er eine geraume Zeit mit ihm sich vergnügt hatte, ging er an das Fressen.

Ein sehr schöner und gesunder Nebelparder befindet sich gegenwärtig in dem Thiergarten zu London und ist beständig ein Gegenstand der Anziehung und Theilnahme für alle Beschauer. Er ist ein prächtiges, zahmes, liebenswürdiges Thier, mit welchem der Wärter umgeht, wie mit einer gutmüthigen Hauskatze. Nur im Gepard noch kenne ich eine ihm geistig verwandte Katze. Auf einem dicken Zweige, welcher in seinem Käfig aufgestellt ist, nimmt er die allersonderbarsten und zum Theil sehr unbequeme Stellungen ein. Einmal sah man ihn seiner vollen Länge nach auf einem fast wagerechten Zweige liegen, alle vier Beine zu den Seiten des Astes herabhängend, wie dies sonst nur noch Leoparden zu thun pflegen.

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